A little too ironic
Dienstag, 15. Januar 2008
Femme Fatale
Herzensbrecherin. Femme fatale. In diesem Ruf stand sie und im Gegensatz zu dem, was man sich sonst so von ihr erzählte, stimmte das. Langes, dunkles Haar, große Augen, volle Lippen, Zigarette im Mundwinkel? Fast. Kurzes Haar, Nichtraucherin. Die Männer vergötterten sie. Sie hatte Ausstrahlung. Man wusste, dass sie umschwärmt war, aber trotzdem war sie nicht unnahbar. Sie würde mit einem sprechen, einem ihr Lächeln schenken. Wenn man höflich fragte, würde sie vielleicht sogar tanzen. Sie war nicht die völlig Enthobene. Sie war die gute Freundin. Ganz genau, sie war die gute Freundin. Es kam nicht selten vor, dass sich die Männer, die sich mit ihr unterhalten hatten oder sie nur gesehen hatten, mehr mit ihr unternehmen wollten. Darf ich dich auf einen Kaffee einladen? Ins Kino? Wie wäre es, wenn ich dich morgen Abend besuchen würde? Sie war die gute Freundin. Manchmal sagte sie ja. Das kann ihr doch niemand anlasten? Ein Kinofilm kann doch noch zu nichts verpflichten. Ein Kaffee ist doch kein Ehegelübde. Genau da war der Punkt, in dem die Männer sie als unnahbar ansahen. Sie würde Freundin bleiben, während die Männer mehr wollten. Niemand traute es sich ernsthaft zu, dieses Herz zu erobern. Oft wurde es versucht, doch niemand schaffte es. Herzensbrecherin. Sie wurde von anderen Frauen oft beneidet. Um die begehrenden Blicke der Männer. Darum, dass sie Abends fast nie zahlen musste. Darum, dass sie die war, die sie war. Doch niemand hinterfragte genauer, wie es war, so zu sein. Hätten sie auch nur ein bisschen länger darüber nachgedacht, dann hätten sie nicht mehr so empfunden. Was brachte ihr das schließlich alles außer einem guten Selbstwertgefühl? Sie wollte doch nur gute Freundin sein. Und gerade wenn sie sich dachte, dass sie mit einem Mann gerne näher befreundet wäre – und über die Wichtigkeit von guten Freunden, lässt sich einfach nicht streiten – musste sie sich auch schon darüber den Kopf zerbrechen, ob er das nicht falsch verstehen könnte. Ob sie ihm nicht falsche Hoffnungen machte. Sie tat doch eigentlich nichts Verfängliches. Sie war die Unschuld in Person. Und doch kam es immer und immer wieder vor, dass sie sich, ohne es zu wollen oder selbst beeinflusst zu haben, in Verpflichtungen sah. In Verpflichtungen, die sie oft sehr belasteten. Warum war es immer ihre Aufgabe, dem Mann, den sie gerne mochte, zu sagen, dass sie ihn nur gerne mochte? Das tat ihr weh, denn es tat ihnen oft weh, denn wer sie kannte, wusste, dass sie nicht nur gut aussah und daher waren die Absichten der Männer nicht immer nur triebgesteuert. Außerdem bedeutete das oft, dass das Interesse des Mannes nachließ. Nur Freundschaft war vielen einfach nicht genug und somit war es immer wieder ihre Aufgabe, gute Freundschaften, oder solche, die es hätten werden können, vorzeitig auf den Scheiterhaufen zu bringen. Femme fatale. Unschuldige Henkerin der zwischenmenschlichen Beziehungen. Doch warum? Diese einfache und banale Frage hatte sie noch nie, wirklich noch nie und von keinem zu hören bekommen. Warum nicht? War die Frage dadurch für die Männer beantwortet, dass sie sich wohl doch zu viel zugetraut hatten? Dass sie wohl doch auf einem zu hohen Level spielte? Ist schon okay, du brauchst es mir nicht weiter zu erklären. Zu gerne hätte sie diese Frage selbst in ihrem vollen Maße erörtern können, aber das ist ja nicht immer leicht bei Herzensangelegenheiten und solche Sachen entschied schließlich ihr Herz und nicht ihr Verstand. Zu gern hätte sie einfach einmal zu einem dieser Männer ja gesagt. Zu gern einmal ihr Herz verschenkt und einen Mann wirklich geliebt. Doch es war einfach nicht möglich, es ging nicht. Die Frage lautete nicht, warum war sie so wählerisch, so von sich selbst überzeugt. Die Frage lautete vielmehr: Warum brachte sie es einfach nicht fertig, zu lieben? Ihr Ruf machte ihr das nicht unbedingt leichter, denn wenn einem alle einreden, dass man ein Herzensbrecher ist, dann glaubt man es vielleicht selbst irgendwann. Herzensbrecherin. Sollte man all die gebrochenen Herzen bemitleiden? Was war mit ihrem Herzen? Was war mit ihr geschehen, dass sie sich nicht im Stande sah, zu lieben? Vielleicht hatte ihr einmal jemand so sehr wehgetan, dass sie einfach die Hoffnung verloren hatte. Vielleicht hatte sie einfach schon zu viel gegeben, zu viel völlig umsonst gegeben, dass diese Quellen erschöpft waren. Was es auch immer war, wenn man auch nur ein kleines bisschen darüber nachgedacht hätte, dann wäre aufgefallen, dass sie nicht nur einfach nicht zu beneiden war, sondern wirklich zu bedauern. So gesehen, war sie tatsächlich eine Femme Fatale. Was mit ihr geschehen war, war tatsächlich fatal. Aber eben nicht so, wie es auf den ersten Blick schien. Neidvolle Blicke auf ein zermetzeltes Schlachtfeld. Und jeder denkt, er wäre am ärmsten dran.

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Freitag, 21. Dezember 2007
Leere
Nein, nichts. Da ist nichts. Ich will noch mal hineinhören. Nichts. Da will nichts hinaus, da will nichts hinein. Da ist Leere. Da ist nichts schlecht und da ist nichts gut. Da lässt alles kalt. Es will nicht hinunter, aber es kann auch nicht hinauf. Die Zeit vergeht, aber geht daran vorbei. Jetzt ist Leerlauf. Da ist kein Subjekt. Gefangen zwischen Vergangenheit und Zukunft. Da ist nichts. Da ist dunkles Schwarz, weil die Farben aus sind. Da wird gewartet, die ganze Zeit. Da wird im Zug auf den Bus gewartet, weil nur die Anderen ein- und aussteigen. Da ist der Weg nicht das Ziel, weil es kein Jetzt gibt. Wachsein macht müde und Schlafen auch. Kein Maximum, kein Minimum. Alles ist passiv. Da ist die Ampel nur auf gelb und nur die anderen Autos fahren. Da ist Leerlauf und das macht müde. Nichts. Da macht alles müde und niemand weckt auf. Das Gute ist nur mittel. Da ist Leere. Nichts. Ich will noch mal hineinhören. Da werden Briefe geschrieben und nicht abgeschickt. Da wird beim Leben zugeschaut. Kein Subjekt. Nur passiv und Müdigkeit. Da ist nichts. Nein, nichts.

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Freitag, 14. Dezember 2007
Großstadtliebe 2007
Schon tausend Mal hat man sich angesehen,
Ein Altbekannter, doch nun ist da mehr.
Den Blick, den er hat. Was ist bloß geschehen?
Ehrlich gesagt, die Frage interessiert nicht sehr.
Man trifft sich nunmehr öfter als bisher,
So muss man sich beim sechsten Wodka Tonic eingestehen,
Der Mensch, den man zuvor gekannt, den gibt’s nicht mehr.

Man fängt in diesen altvertrauten Augen an,
Etwas ganz Neues, eine Spannung zu entdecken.
Was Morgen kommt, da denkt man gar nicht dran,
Sein Blick ist Grund genug, sich nur im Heute zu verstecken.
Man will auch nicht mit Offenheit verschrecken.
Weil man sich gar nicht dafür öffnen kann,
Sucht niemand eigentlich nach tiefren Zwecken.

Man trifft sich nicht so oft, die Zeit ist rar,
Und jeder führt ja doch sein eignes Leben.
Dass niemand mehr sein Herz hergibt, ist klar,
Was soll man schließlich noch von sich preisgeben?
Auf Öffentlichkeit bloß nicht Anspruch erheben.
Ihn allen vorzustellen wäre sonderbar.
Das ginge viel zu schnell, so ist das eben.

Man küsst sich und vielleicht geht man zu weit,
Doch die Momente sind wahrhaft vollkommen.
Das Leid gerät schnell in Vergessenheit,
Als hätte der Moment es weggenommen.
Zwar fühlt man sich beizeiten recht benommen,
Doch dass das auch vergeht, man weiß bescheid.
Auch hierfür gibt es ein Schweigeabkommen.

Für große Taten ist er nicht geboren,
Doch auch das Kleine schwindet immer mehr.
Es scheint, als ginge all der Reiz verloren,
Sich nah zu sein war ja schon immer schwer.
Und der Beginn vom Ende ist nunmehr
Schon dann erreicht, wenn man sich hat geschworen:
„Heut geht’s nicht, ich bedaure wirklich sehr.“

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Letzte Aktualisierung: 2008.05.21, 15:30
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